
Intersein
Aus: Thich Nhat Hanh (2000). Das Erblühen des Lotos (Seite 128/129)
An einem Herbsttag war ich einmal in einem Park in die Betrachtung eines ganz kleinen, aber schönen Blattes versunken. Das Blatt hatte die Form eines Herzens. Es war rötlich gefärbt und hing nur noch lose an einem Zweig, bereit, schon bald herabzufallen.
Ich beschäftigte mich eine ganze Weile mit diesem Blatt und stellte ihm unzählige Fragen. So fand ich heraus, dass das Blatt einst für den Baum eine Mutter gewesen war. Normalerweise denken wir, dass der Baum die Mutter ist und die Blätter ihre Kinder sind. Doch als ich dieses Blatt betrachtete, sah ich, dass es auch seinerseits eine Mutter für den Baum war. Der Saft, den die Wurzeln dem Boden entnehmen, besteht nur aus Wasser und Mineralien. Er enthält nicht ausreichend Nährstoffe für den ganzen Baum; und so verteilt der Baum diesen Saft an die Blätter. Diese sind nun verantwortlich dafür, den nährstoffarmen Saft mit Hilfe der Sonne und des Stickstoffs anzureichern und ihn an den Baum zurückzuleiten. Auf diese Weise nähren sie den Baum. So sind die Blätter für den Baum auch eine Mutter, und da sie durch ihre Stiele mit dem Baum verbunden sind, ist die Verbindung zwischen ihnen und dem Baum leicht erkennbar.
Ich fragte schließlich das Blatt, ob es sich fürchte, denn es war Herbst, und die meisten anderen Blätter waren schon herabgefallen. Das Blatt antwortete: „Nein, ich fürchte mich nicht. Den ganzen Frühling und Sommer über war ich sehr lebendig. Ich arbeitete hart und half mit, den Baum zu nähren, und vieles von mir ist nun in diesem Baum. Bitte sage nicht, dass ich nur diese Form bin, denn die Blattform ist nur ein winziger Teil von mir. Ich bin der ganze Baum, und ich weiß, dass ich bereits innerhalb des Baumes bin. Wenn ich zum Erdboden zurückkehre, werde ich auch weiterhin den Baum nähren. Darum bin ich auch nicht beunruhigt. Wenn ich den Ast verlasse und auf den Boden herabsinke, werde ich dem Baum zuwinken und ihm sagen: „Ich sehe dich schon sehr bald wieder.“
An diesem Tag wehte ein leichter Wind, und nach einer Weile sah ich, wie das Blatt sich vom Ast löste und in einem freudigen Tanz zum Erdboden schwebte; und das Blatt sah, während es noch in der Luft umhertanzte, dass es bereits in diesem Baum war. Darüber war es sehr glücklich. Ich verneigte mich, erkannte ich doch, dass wir von diesem Blatt sehr viel lernen können: Es hatte keine Angst, denn es wusste, dass nichts geboren wird und nichts stirbt.
Meditieren heißt, sich darin zu üben, die Dinge so zu betrachten, dass das Miteinander-Verwobensein von allem in allem erkennbar wird. Meditieren heißt zu erkennen, dass „innen“ und „außen“ nur Vorstellungen sind. Alles enthält alles, das Eine ist das Ganze.
Im Avatamsaka-Sutra, kommt die Lehre von der Natur des Interseins, die Lehre vom Miteinander-Verwobensein aller Phänomene, in wunderbarer Weise zum Ausdruck. Es lädt dich ein, das Land der Leidlosigkeit zu betreten. Um in diese Welt zu gelangen, müssen wir also nur eins mit uns selbst sein und ein wenig tiefes Schauen üben. Dann erkennen wir uns auch in allem anderen. Wir erkennen, dass die Vergangenheit und die Zukunft in der Gegenwart enthalten sind und die Gegenwart in der Vergangenheit und in der Zukunft. Es gibt für uns keine Grenzen mehr, wir werden grenzenlos. Da für uns Raum und Zeit unbegrenzt sind, überschreiten wir alle Arten von Grenzen, werden wir eins mit allem anderen. Und weil das so ist, wird aller Kummer von uns abfallen.
Wenn du es verstehst, tief zu schauen und zu berühren, überwindest du Geburt und Tod, denn die wahre Natur von allem, was ist, ist ohne Geburt und ohne Tod. Du bist in allem, was ist, und alles, was ist, ist in dir. Geburt und Tod sind bloße Vorstellungen, die uns erschrecken. Wenn wir es schaffen, diese Vorstellungen aufzugeben, werden wir mit Furchtlosigkeit beschenkt. Und nur wenn wir Furchtlosigkeit erlangt haben, können wir wahrhaft glücklich sein.
An einem Herbsttag war ich einmal in einem Park in die Betrachtung eines ganz kleinen, aber schönen Blattes versunken. Das Blatt hatte die Form eines Herzens. Es war rötlich gefärbt und hing nur noch lose an einem Zweig, bereit, schon bald herabzufallen.
Ich beschäftigte mich eine ganze Weile mit diesem Blatt und stellte ihm unzählige Fragen. So fand ich heraus, dass das Blatt einst für den Baum eine Mutter gewesen war. Normalerweise denken wir, dass der Baum die Mutter ist und die Blätter ihre Kinder sind. Doch als ich dieses Blatt betrachtete, sah ich, dass es auch seinerseits eine Mutter für den Baum war. Der Saft, den die Wurzeln dem Boden entnehmen, besteht nur aus Wasser und Mineralien. Er enthält nicht ausreichend Nährstoffe für den ganzen Baum; und so verteilt der Baum diesen Saft an die Blätter. Diese sind nun verantwortlich dafür, den nährstoffarmen Saft mit Hilfe der Sonne und des Stickstoffs anzureichern und ihn an den Baum zurückzuleiten. Auf diese Weise nähren sie den Baum. So sind die Blätter für den Baum auch eine Mutter, und da sie durch ihre Stiele mit dem Baum verbunden sind, ist die Verbindung zwischen ihnen und dem Baum leicht erkennbar.
Ich fragte schließlich das Blatt, ob es sich fürchte, denn es war Herbst, und die meisten anderen Blätter waren schon herabgefallen. Das Blatt antwortete: „Nein, ich fürchte mich nicht. Den ganzen Frühling und Sommer über war ich sehr lebendig. Ich arbeitete hart und half mit, den Baum zu nähren, und vieles von mir ist nun in diesem Baum. Bitte sage nicht, dass ich nur diese Form bin, denn die Blattform ist nur ein winziger Teil von mir. Ich bin der ganze Baum, und ich weiß, dass ich bereits innerhalb des Baumes bin. Wenn ich zum Erdboden zurückkehre, werde ich auch weiterhin den Baum nähren. Darum bin ich auch nicht beunruhigt. Wenn ich den Ast verlasse und auf den Boden herabsinke, werde ich dem Baum zuwinken und ihm sagen: „Ich sehe dich schon sehr bald wieder.“
An diesem Tag wehte ein leichter Wind, und nach einer Weile sah ich, wie das Blatt sich vom Ast löste und in einem freudigen Tanz zum Erdboden schwebte; und das Blatt sah, während es noch in der Luft umhertanzte, dass es bereits in diesem Baum war. Darüber war es sehr glücklich. Ich verneigte mich, erkannte ich doch, dass wir von diesem Blatt sehr viel lernen können: Es hatte keine Angst, denn es wusste, dass nichts geboren wird und nichts stirbt.
Meditieren heißt, sich darin zu üben, die Dinge so zu betrachten, dass das Miteinander-Verwobensein von allem in allem erkennbar wird. Meditieren heißt zu erkennen, dass „innen“ und „außen“ nur Vorstellungen sind. Alles enthält alles, das Eine ist das Ganze.
Im Avatamsaka-Sutra, kommt die Lehre von der Natur des Interseins, die Lehre vom Miteinander-Verwobensein aller Phänomene, in wunderbarer Weise zum Ausdruck. Es lädt dich ein, das Land der Leidlosigkeit zu betreten. Um in diese Welt zu gelangen, müssen wir also nur eins mit uns selbst sein und ein wenig tiefes Schauen üben. Dann erkennen wir uns auch in allem anderen. Wir erkennen, dass die Vergangenheit und die Zukunft in der Gegenwart enthalten sind und die Gegenwart in der Vergangenheit und in der Zukunft. Es gibt für uns keine Grenzen mehr, wir werden grenzenlos. Da für uns Raum und Zeit unbegrenzt sind, überschreiten wir alle Arten von Grenzen, werden wir eins mit allem anderen. Und weil das so ist, wird aller Kummer von uns abfallen.
Wenn du es verstehst, tief zu schauen und zu berühren, überwindest du Geburt und Tod, denn die wahre Natur von allem, was ist, ist ohne Geburt und ohne Tod. Du bist in allem, was ist, und alles, was ist, ist in dir. Geburt und Tod sind bloße Vorstellungen, die uns erschrecken. Wenn wir es schaffen, diese Vorstellungen aufzugeben, werden wir mit Furchtlosigkeit beschenkt. Und nur wenn wir Furchtlosigkeit erlangt haben, können wir wahrhaft glücklich sein.